Das Foto ist Dreck - Vom Umgang mit Kritik

Lightroom zeigt es oben Links an - den Fortschrittsbalken - gleich ist die aktuelle Ernte der gestrigen Fototour exportiert.

Kaum kann ich es erwarten mein neuestes Meisterwerk auf mein Facebook-Profil hochzuladen und meinen Freunden, Bekannten und natürlich der Familie zu zeigen.
Nur wenige Minuten vergehen, da ist es auch schon hochgeladen, der Puls schnellt hoch.
"Wie gefällt es meinen 700 FB-Kontakten?"

1 Like, 3 Likes, 4 und 10 und da, der erste Kommentar!
"Super schön!"
Ich nehme die Reaktionen auf wie ein Süchtiger sein Heroin - doch irgendwann ist Schluss - mein HDR-Meisterwerk von Köln ist bereits eine Stunde alt und wird kaum noch in den Newsfeeds angezeigt.

Zeit es in die Fotogruppen zu posten um noch ein paar mehr Reaktionen zu bekommen.

Es dauert.
Es dauert zu lange, kein Like nach 10 Minuten.
Wird das Bild überhaupt in der Gruppe angezeigt?
Ist keiner Online?

Enttäuscht entschließe ich mich, zu duschen und danach noch einmal reinzuschauen.

Da! Ein Kommentar!
"Du hast da ziemlich üble Halos drin, unscharf ist es auch und noch dazu völlig übersättigt, was hast du dir dabei gedacht!?"

Ich muss einen Moment lang innehalten.
Was meint der? Unscharf?
Ich schaue erneut auf mein 11 Zoll Macbook - da sieht alles tutti aus.
Aber was bitte sind Halos? Ich bemerke den schönen leicht hellen Saum um die Gebäude vor dem Himmel, der mir schon beim Bearbeiten mit dem HDR-Tool aufgefallen ist.
Übersättigt?
Ich mag kräftige Farben!
Was will der Typ von mir?
Gut, auf dem Handy sieht es wirklich noch krasser aus - aber das muss der ja nicht wissen.
Alle meine Freunde lieben meine Fotos, also können die nicht so schlecht sein!

Ich tippe eine Antwort - so ein Banause!
"Ich weiß ja nicht, ob du was an den Augen hast oder das Bild nicht verstehst - das ist eben mein Stil - das bleibt so!"

Noch ein Kommentar: "Voll geil!" und ein Like dazu!
Ich habe einen unabhängigen Verbündeten!

Der nächste Satz unter meinem Foto: "Da bekommt man ja Augenkrebs - das Foto ist Dreck!" 

Unglaublich wie hier mit Anfängern umgegangen wird.
Es folgen weitere, ähnliche Kommentare "Dein Stil...ja klar!"
Ein weiteres Gruppenmitglied klärt mich darüber auf, dass ein Halo tatsächlich dieser Saum ist.

Aber es ist schon zu spät.
Ich bin sauer auf die ganzen Miesmacher, würde jedem einzelnen am liebsten....
Aber das lasse ich die nicht merken - den Gefallen tue ich denen nicht!
So auf anderer Leute Kunst herumzuhacken geht einfach nicht!
Ich atme durch, bevor ich meine Finger auf die Tastatur lege um zu antworten - ich will sachlich bleiben.

"Ich finde manche Kommentare hier richtig asozial, nur weil ich meinen eigenen Stil habe und mache was mir gefällt, darf noch lange keiner so darauf rumhacken - mir gefällt's und gut is! Ich zeige hier bestimmt nichts mehr!"

Drei Minuten später lösche ich das Foto wieder aus der Gruppe. 
Eigentlich will ich nicht nur nichts mehr in der Gruppe posten, sondern gar nicht mehr fotografieren - wie kann man nur so gemein sein?

Ja, wie kann man nur? 

Die Antwort scheint zunächst paradox. 

Weil man dir helfen will. 

Helfen besser zu werden, die Kamera zu beherrschen, ein besseres Auge zu entwickeln, und die Nachbearbeitung zu lernen. 

Die Geschichte im oberen Abschnitt wiederholt sich Tag für Tag unzählige Male - ob es dabei nun um Halos, HDR oder etwas ganz anderes geht, ist gar nicht der Punkt - die stehen hier nur als Beispiel.

Sie zeigt einfach eines der ersten Dinge, die man als angehender (Hobby)Fotograf unbedingt lernen sollte:

Mit Kritik umgehen. 
Auch (und insbesondere) mit verletzender und beleidigender. 
Wir haben hier verschiedene Seiten, die eine Rolle spielen.

Wir haben hier jemanden fasziniert von Fotografie und den Möglichkeiten, die sie bietet, und wir haben Menschen außerhalb des sozialen Umfelds, die sich die Bilder anschauen und ehrlich helfen wollen.

Dazu gehört auch eine ehrliche Bewertung abzugeben. Ohne Ehrlichkeit, kann man sich jeden Kommentar, jede Unterrichtsstunde und jeden Liebesbeweis sparen - es hilft einfach niemandem. 
Niemand wird gerne kritisiert, niemand hört gerne, dass das Ergebnis mühevoller Arbeit schlecht ist. 

Also wird sie verteidigt - mit allem, was grade griffbereit ist und ab dem Moment, an dem jeder Strohhalm ("Stil") herhalten muss, kommen wir in eine Diskussion, die nicht zu gewinnen ist und die niemandem nützt. 

Der Kritisierte tut gut daran, die kritischen Kommentare zu lesen und sich zu überlegen, ob nicht evtl. wirklich was dran ist, ob das Bild mit den angesprochenen Vorschlägen nicht vielleicht wirklich besser aussehen würde.

Niemand ist gezwungen auf Kritik zu antworten, aber wenn man wirklich den Anspruch hat besser zu werden, sollten sie gelesen und durch Ausprobieren geprüft werden. 

Auch wenn sie hart rüberkommen. 

Die wenigsten Leute haben ein Interesse daran jemanden schlecht zu machen oder das neue Hobby zu verderben. 
Dann gibt es natürlich noch Leute, die "Kritiken" schreiben, mit denen niemand etwas anfangen kann - das sind meistens Einzeiler a la "Das Foto ist Dreck!"

Hier besteht sogar der größte Fehler darin darauf zu antworten. 

Solche Leute bringen oft selbst nichts zustande und haben privaten Frust, den sie irgendwo auslassen müssen.
Lächeln und links liegen lassen - Diskussion zwecklos. 

Wenn man als Kritiker nichts hilfreiches Beitragen kann, schreibt man am Besten gar nichts. Niemandem helfen Polemik oder gar Beleidigungen. 

Ein guter Punkt zum Ansetzen ist, was man selbst evtl. anders gemacht hätte und wie man den Hinweis selbst am liebsten lesen würde.
Als Anfänger sind einfach viele Dinge nicht klar, die später selbstverständlich sind. Und angefangen haben alle mal. 

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