Cybermobbing und die Macht der Bilder
Vor ein paar Jahren hatte ich von einer Reihe von Schülern einer Kölner Gesamtschule Portraits gemacht.
Nicht die normalen Schulbilder, die jeder kennt, sondern es hatten sich einfach 6 Schüler zusammengefunden, die Portraits haben wollten.
Das habe ich natürlich gerne gemacht.
Ich hatte schon länger nicht mehr daran gedacht, aber vor wenigen Tagen schrieb mich einer der Jugendlichen von damals an, als ich von einer Hochzeit zurückkam.
Er hatte eine Berufsausbildung in München angefangen und schilderte dass sein Foto verunstaltet und auf verschiedenen Plattformen hochgeladen wurde.
Es wurden auch eigene Accounts in seinem Namen erstellt, auch auf Portalen die hier nicht zitierfähig sind.
Da wurden dann Genitalien, Drogen und verschiedene Vokabeln in das Bild montiert und das Machwerk über WhatsApp und Facebook verbreitet.
Der Junge wurde Fix und Fertig gemacht, schon seit längerer Zeit - das Foto war nur die Spitze des Eisbergs.
Als ich ihn damals traf, hatte ich das Gefühl, dass er eher introvertiert und zurückhaltend aber sehr freundlich, hilfsbereit und auf Zack war.
Er hatte für die anderen Portraits meinen großen Faltreflektor gehalten, was eine große Hilfe und wegen des Windes nicht grade leicht war.
Und dann muss man sowas lesen.
Nicht nur, dass eines meiner Fotos derart vergewaltigt wird, nein - besonders die Tatsache, dass so ein netter Mensch systematisch niedergemacht wird, machte mich sauer.
Richtig sauer.
Er schickte mir Screenshots und alles was er hatte zu den Leuten, die dieses Bild verunstaltet und verbreitet haben.
Ich korrigierte meine Route nach Hause zum nächsten Polizeirevier.
Ich erstattete Anzeige gegen diese Leute.
Sie haben eines meiner Fotos unerlaubt bearbeitet und veröffentlicht.
Das ist in Deutschland eine Straftat.
Bevor es dazu kam, musste ich jedoch im Wartebereich Platz nehmen - etwa eine Stunde saß ich dort, bis ich endlich aufgerufen wurde. Als ich mit dem Beamten sprach, wurde mir auch klar, warum ich nicht nach 5 Minuten dran kam:
Der hat sich alles genau angehört, die Screenshots wollte er alle direkt per E-Mail haben und die Namen der Leute hat er auch schonmal durch das System gejagt.
"Das geht direkt an die Kripo" sagte er, die Kollegen vor Ort werden sich erst an den Jungen auf dem Foto wenden, daraufhin weitere Straftatbestände (Verleumdung, Beleidigung, etc.) prüfen und nach Absprache ebenfalls zur Anzeige bringen.
Berufsschule & Arbeitgeber werden auch informiert.
Das Mobbing an Schulen hat heute ein anderes Format als vielleicht noch in den 1990'er Jahren oder den frühen 2000'er Jahren.
Internetanschlüsse waren zu der Zeit noch nicht in dem Maße verbreitet wie es heute der Fall ist. Dadurch kann eine, auf den ersten Blick, regionale Demütigung in der Schule, sofort eine weltweite werden.
Ein großes Problem ist die vielzitierte Weisheit, dass das Internet nichts vergisst und Bilder eine besonders große Wirkung auf den Betrachter haben. Der Abgebildete wird im Bewusstsein gebrandmarkt und unwillkürlich immer wieder mit dieser Abbildung in Verbindung gebracht.
Das bedeutet, dass Plattformbetreiber und auch Fotografen eine Verantwortung haben, gegen derartige Dinge vorzugehen.
Hätte ich mit den Schultern gezuckt und den Hilferuf ignoriert, wäre das so als hätte ich selbst mitgemacht. Daher ist es mir wichtig aktiv zu helfen.
Und meine Kollegen sehen das auch so. Wenn ein Foto von ihnen für sowas benutzt wird, ist das dem Urheber (Fotograf/in) zu melden. Ich kenne niemanden, auch keinen Amateur, der eine derartige Verwendung auch nur eine Sekunde lang toleriert.
Wenn du das hier als Betroffener liest, auf den Artikel hier vielleicht nach einem besonders schlimmen Tag beim Googlen gestoßen bist, möchte ich dir ein paar Sätze mitgeben:
Diese Mobbingsituationen sind fürchterlich hart und können einen schnell an die Grenzen treiben. Aber das weißt du sicher.
Falls dir sowas mit einem Foto passiert ist, zögere nicht - melde das dem/der Fotograf/in und gehe auch selbst zu Schulleitung/Arbeitgeber und Polizei. Du hast Angst, dass es noch schlimmer wird? Ich frage dich: Wieviel schlimmer soll es denn noch werden, wenn du im Internet recherchierst und öffentlich gedemütigt wirst? Du musst deinen Weg gehen, konzentriere dich auf die Dinge, die dir im Leben wichtig sind und wehre dich gegen Angriffe so gut du kannst. Hole dir Hilfe, sobald du aufgibst, gibst du dich selbst auf und dafür bist du zu wichtig für die Welt.
Wenn die Leute dir sagen, dass du dumm, blöd, behindert, eine Schlampe oder sonst irgendwas bist, fängst du irgendwann an selbst daran zu glauben.
Deswegen ist das aber noch lange nicht die Wahrheit.