6.000 Kilometer Nordamerika Teil 2
Um euch kurz abzuholen:
Teil 1 endete damit, dass wir von unserem Motel in Flagstaff zum nächsten Burger King gelaufen waren, um dort etwas zu Essen zu erstehen.
Dort angekommen mussten wir feststellen, dass um die Uhrzeit nur noch der Drive-Thru geöffnet war.
Also versuchten wir es mit dem Klassiker: Zu Fuß durch den Drive-Thru.
Das ging leider schief, die Bedienung klärte uns darüber auf, dass sie uns nur mit Auto bedienen dürfe.
Gut gelaunt machten wir uns auf den Rückweg zum Motel um das Auto zu holen und da nochmal hinzufahren.
Das klappte dann.
Tags drauf machten wir uns auf den Weg nach Sedona,
einer kleinen Stadt umgeben von den bekannten roten Felsformationen.
Sedona selbst ist als Touristenhochburg reichlich unspektakulär, also machten wir uns auf dem Weg zum 11 km entfernten Slide Rock State Park.
Auch dieser ist von roten Felsen umgeben.
Das Besondere daran ist aber, dass es hier natürliche Wasserrutschen gibt, die über ganze Zeitalter in den Fels gewaschen wurden.
Besonders für Kinder ist das sehr schön.
Da ich aber nicht unbedingt Fotos von fremden, spielenden Kindern in Unterwäsche machen wollte, müsst ihr hier leider ohne Illustration auskommen.
Man kann den kleinen Fluss aufwärts wandern, das Wasser ist meist flach und führt über Steine.
Mit den eigenen Schuhen in der einen, einer Flasche Wasser in der anderen Hand und einer schweren Kamera über der Schulter, würde ich davon jedoch abraten.
Ich rutschte nämlich auf einem glitschigen Stein im Wasser aus...zum Glück wurde die Kamera noch vor meinem Aufprall von wachsamen Händen aufgefangen.
Und so ist meiner technischen Ausrüstung nichts passiert.
Mir übrigens auch nicht, aber das nur am Rande.
wir trafen auf ein Pärchen aus der Gegend und ich wurde auf einen Gerstensaft eingeladen - wir hatten eine nette Unterhaltung über alles Mögliche.
Einfach so.
Solche Begegnungen gab es durchaus häufiger.
Die Tagesplanung führte uns weiter zum Grand Canyon.
Das war eigentlich keine lange Fahrt, doch als wir dort ankamen, war es bereits dunkel.
Da Nationalparks prinzipiell nicht beleuchtet sind, wurde das ein kleines Problem.
Denn trotz seiner schieren Größe, war nichts von ihm zu sehen, dem Grand Canyon.
Wir fuhren eine der Straßen lang, bis wir eine Art Rastplatz am Wegesrand sahen.
Ich stieg aus und schaute in einen schwarzen Abgrund.
Es war nichts zu sehen - nur Dunkelheit.
Keine Sorge, ich erspare euch den, eigentlich unter Strafe zu stellenden Witz meiner schwarzen Fläche mit der Aufschrift "Grand Canyon bei Nacht".
Denn die Tatsache, dass ich nichts sehen kann, heißt nicht, dass die Kamera ebenfalls blind ist.
Ich kramte mein Stativ aus dem Auto, setzte die Kamera drauf und legte los.
Es gab nur ein Problem:
Wie stellt man etwas scharf, was man nicht sehen kann?
Es gibt zwei Möglichkeiten:
Entweder man kann auf etwas scharf stellen, was ungefähr so weit weg ist, wie das gewünschte Motiv...
...oder man muss sich komplett per Versuch und Irrtum annähern.
Also: Bild machen, schauen ob's scharf ist, Fokus nachjustieren, nochmal versuchen, wieder prüfen usw...
Bis das Bild irgendwann ausreichend scharf ist.
Jedenfalls stand ich da mit meiner Kamera auf dem Stativ, als ein Auto ca. 20 Meter entfernt von uns parkte und mir mit den Scheinwerfern die Belichtung versaute.
Ich richtete alles neu aus und begann nochmal damit, den Fokus einzustellen.
Alles von vorne.
Fröhlich schielte ich zu dem Fahrzeug hinüber und bemerkte plötzlich das schreckliche Geheimnis der Insassen:
Sie sprachen Deutsch miteinander.
Schwäbisch.
Und sie blitzten mit einer Kompaktkamera in den Grand Canyon hinein.
Also:
- Mir mit dem Auto die Belichtung versauen.
- Schwäbisch sprechen.
- In den Grand Canyon blitzen.
Und das zusätzlich zu all' der Anstrengung den ganzen Tag - das war zuviel.
Aber ich behielt die Beherrschung und machte einfach weiter.
Wenige Minuten später schallmeite es mir von der Seite entgegen:
"Äckjus mi, ar ju täking piktschas?"
Ich stand mit einer Kamera auf dem Stativ vor dem Grand Canyon, ich habe das Ding sicherlich nicht aufgebaut um da drin Maultaschen zu kochen.
Jedenfalls beschloss ich diese Ach-auch-aus-Deutschland-kennst-du-den-Sven-Konversation von vornherein zu vermeiden und in englischer Sprache zu antworten: "Yes."
Dann ging es weiter, man berichtete mir, dass man auch Versuche unternommen habe, Fotos zu machen, das aber nicht ging, weil es zu dunkel sei - obwohl man ja den Blitz eingeschaltet hätte.
Ich wurde gebeten ein paar meiner Aufnahmen zu zeigen, was ich dann auch etwas widerwillig tat.
Man war, im Gegensatz zu mir, beeindruckt.
Ich war unzufrieden mit meinem Ergebnis - da wäre mehr gegangen.
Ich durfte dann noch Fragen darüber beantworten, warum man die Milchstraße nicht sieht.
(Weil wir Vollmond haben, Reise nicht gut geplant - Fehler meinerseits).
Ich war irgendwann so genervt, dass ich mein Zeug einpackte, mich auf Deutsch verabschiedete und wir mit Vollgas abdampften.
Motel, Bier, Bett war, was wir brauchten - in dieser Reihenfolge.
Langsam wurde auch unsere Zeit knapp, wir mussten zurück nach Houston,
Was vom Grand Canyon aus ca. 19 Stunden reine Fahrzeit sind.
Das in einer Tour zu machen, ist eine Qual.
Also verteilten wir die Reise etwas.
Vom Grand Canyon ging es erst zum Horseshoe Bend (Titelbild dieses Beitrages) dann nach Albquerque in New Mexico, weiter nach Amarillo in Texas und schließlich in einem Gewaltmarsch von 9 Stunden weiter nach Houston.
Der Horsehsoe Bend ist ca. 2 Stunden vom Grand Canyon entfernt, nahe der Stadt Page.
Man parkt auf einem Schotterparkplatz und läuft dann ca. 1,5 Kilometer durch die Wüste dahin.
Die Hitze war zwar sehr trocken, es war bereits Nachmittag und auf halbem Weg gab es einen kleinen Pavillon, der Schatten spendet, aber ohne Wasser ist auch diese kurze Wegstrecke kaum zu bewältigen.
Einmal angekommen, steht man einfach vor einer Schlucht.
Es gibt keinen Zaun, keine Sicherheitsleute, Nichts.
Macht man einen Fehltritt, fällt da hinunter und ist tot.
Und das passiert offenbar auch immer wieder.
Um meine Fotos zu machen, musste ich an den Rand der Felsen.
Ich legte mich sicherheitshalber hin.
der Gedanke dabei war einfach:
Wer liegt, kann nicht stolpern und hinfallen.
Während ich da lag und meine Aufnahmen machte, hörte ich jemanden auf Deutsch sagen: "Höhö, da würde ich mit meinem Auto locker runterfahren..!"
"Ja, mach das doch einfach, dachte ich mir..."
Unser Weg nach Albuquerque führte uns der alten Route 66 nach, die seit 1985 nicht mehr in Betrieb ist.
Sie ist nur noch teilweise erhalten, mitunter wurde sie in verschiedene Interstates und Highways integriert und die Teile, die noch halbwegs befahrbar sind, sind nicht unbedingt etwas, was man gesehen haben muss.
Es ist einfach eine uralte zweispurige Straße.
Vorteilhaft jedoch war während der Fahrt, dass man da auch "mal kurz anhalten" konnte.
Ja, es heißt, was ihr denkt.
Und ja, das habe ich gemacht.
Auch hier hatten wir wieder das Problem mit den Fata-Morgana-Tankstellen.
Das wurde allmählich zu einem echten Ärgernis.
Es galt wieder jede einzelne Tankstelle anzufahren, aber je näher wir Albuquerque kamen, umso mehr wurden es auch wieder.
Dort angekommen machten wir uns am nächsten Vormittag auf zu einer kleinen Tour durch die Stadt.
Zu Walter Whites Haus und Nachbarschaft, Saul Goodmans Büro und schließlich die Waschanlage.
Das Auto musste ohnehin gründlich gereinigt werden.
Ernsthaft.
So.
Jetzt können wir nie wieder "normal" Breaking Bad schauen.
Da wir mit dem Zeitplan etwas unter Druck gerieten, mussten wir direkt weiter nach Amarillo.
Mit vier Stunden Fahrtzeit war das eine vergleichsweise kurze Etappe.
Jede der Teilstrecken führte uns durch großartige Gegenden, in denen man bis zum Horizont sehen kann.
Man kann nur schwerlich genug davon bekommen.
Nach unserer Übernachtung in Amarillo kamen wir ca. 10 Stunden später Abends in Houston an.
Wir waren so müde wie lange nicht mehr und hatten einen Hunger, der uns jetzt erst verstehen ließ, warum die Portionen hier so groß sind.
Wir aßen zu abend mit Carl und seiner Mutter, erzählten, was wir gesehen haben und was uns alles passiert war und konnten nicht so richtig fassen, dass wir schon am nächsten Tag zurückfliegen.
Wir hatten vieles Gesehen, und ebenso viel nicht gesehen.
Wir fanden großartige Natur, freundliche und hilfsbereite Menschen und die Freiheit auf dem Highway.