Bearbeitung oder nicht?

Mit Aufkommen der digitalen Fotografie wurde es plötzlich sehr leicht Bilder in bisher ungeahntem Maße und mit vergleichsweise wenig Aufwand zu bearbeiten.
Sei es, dass man Pickel entfernt, Farben verändert oder den Kopf der Exfreundin in ein Erotikfoto montiert - alles scheint heute möglich.

 
Aber ist das noch Fotografie?
Und wenn Nein, wo ist die Grenze?
Und wer zieht die?
Wann wird ein Foto zum digitalen Gemälde oder zur Fälschung?

 
Ich werde oft gefragt "ist das bearbeitet?"


Nicht immer weiß ich spontan worauf die Frage abzielt oder wie meine Antwort interpretiert wird.
Mit Photoshop geht ja bekanntlich alles.
Aber fangen wir mal ganz von vorne an:


Zunächst wird das Bild auf den Sensor geworfen und dann bereits von der Kamera bearbeitet noch bevor es überhaupt auf der Speicherkarte landet.

 
Je nachdem wie die Kamera eingestellt ist, wird das Ergebnis bereits mehr oder weniger manipuliert auf die Speicherkarte geschrieben.

 
Hier kann man also schon nicht mehr wirklich ansetzen.


Ich nehme meine Bilder im RAW-Format auf - das heißt, dass nur die Rohdaten des Bildsensors auf der Karte landen.
Das Bild, dass man im Display sieht, ist eine Vorschau im jpg-Format welche ebenfalls bereits bearbeitet wurde.
RAW sind nur Rohdaten - Es ist noch nicht definiert wie diese ausgegeben bzw. angezeigt werden sollen.
(Genau wie der Film früher)


Deswegen haben kleine Bildanzeige-Tools auf Rechnern nur selten die Möglichkeit diese anzuzeigen.
Die, die es doch können, "denken" sich gewissermaßen eine Art und Weise aus, die Rohdaten zu präsentieren.
Also ist das Bild auch hier - streng genommen - wieder bearbeitet.

 
Die Grenze hier zu ziehen, ergibt also auch wenig bis keinen Sinn.
Diese Prozesse sehe ich deshalb nicht wirklich als Bearbeitung.


Als Bearbeitung sehe ich folgendes:


Etwas im Bild entfernen, dass vorher dort war (eine Laterne vor einer Hauswand).

oder:

Etwas in das Bild bringen, dass vorher nicht dort war (Himmel austauschen, Flammen hinein montieren).


Diese Dinge tue ich nicht.

 
Ich finde einfach, dass alles was ich für das Bild brauche, schon beim Auslösen da sein sollte
und ich durch Perspektive oder Licht die Dinge die nicht mit hinein sollen ausschließe.
Zur Not beschneide ich auch mal ein Bild, wenn es gar nicht anders geht - aber schon das tue ich nur höchst ungern.
Es ist mein Anspruch an mich selbst das Bild von Anfang an so zu bekommen, wie ich es haben möchte.
Auch aus einer gegebenen Situation heraus.

Ich denke mir dabei manchmal:
"Wenn ich das wegretuschiere oder irgendwas aus einem anderen Foto mit hineinbringe, kann ich auch gleich lernen mit Pinseln zu malen."

Zuhause angekommen "entwickle" ich meine Bilder aus dem RAW-Format heraus - und ja, im Grunde ist es der selbe Prozess wie früher.

Nur ohne Chemikalien.

Und ohne Papier.

Und mit Licht.

Und Chips.

 
Bei meiner Bearbeitung, muss man wissen, dass die Kamera manchmal auch Dinge aufnimmt, die man mit bloßem Auge in der Form selbst gar nicht sehen kann,
zum Beispiel:

Sonnenstrahlen die, die Wolken streifen.

Hautunreinheiten die erst mit einem hellen Blitz wirklich sichtbar werden, weil dieser auch unter die Haut kommen kann.

Voraussetzung um diese Dinge (besser) sichtbar zu machen, ist natürlich der Umgang mit Kontrasten, Belichtungskorrektur und der Farbsättigung.

Auch das gab es zu Filmzeiten schon - auch als noch S/W fotografiert wurde (von der Farbsättigung vielleicht mal abgesehen).
Es war nur sehr viel aufwendiger.
Und im Bild waren diese Dinge auch vorher schon - man konnte sie unter Umständen nur *so* nicht sehen.

Also ist das für mich keine Bearbeitung im Sinne einer Manipulation - sondern eher eine Verarbeitung (engl. processing - Entwicklung).
Einfach weil ich nur die vorhandenen Rohdaten interpretiere.

Manchmal kommt auch die Frage "ist das mit Photoshop?"

Nein, ist es nicht - ich habe kein Photoshop, auch kein Gimp und wie sie alle heißen.

Und umgehen kann ich mit diesen Programmen auch nicht.

Ich habe eine Software mit der ich Rohdaten verarbeiten kann und ein paar Plugins für Kontraste, Schärfe usw. mit der ich die Bilder vor allem ganzheitlich bearbeiten kann und weniger selektiv und das reicht mir ganz einfach.

"Kein Photoshop? Gibt's ja gar nicht..."

Der Satz macht mich manchmal nachdenklich - gute Fotos scheinen im Verständnis der Menschen fast nur noch aus der Software zu kommen und nicht mehr aus den Augen oder aus der Hand.

Versteht den Eintrag bitte nicht falsch - ich habe absolut nichts gegen Leute die ihre Bilder mit Photoshop korrigieren und aufpeppen.

Jeder hat Gründe für sein Vorgehen, ich wollte nur meine mal aufzeigen.

Wer an realen Beispielen aus der Werbung sehen möchte, was man mit Bildbearbeitung alles kaputtmachen kann, darf gerne einmal hier vorbeischauen :)

http://www.psdisasters.com

Genießt eure Zeit!

Gruß aus Köln!


PS: Oben im Text hatte ich gefragt wer die Grenze der Bearbeitung zieht:
Zwei Leute - der, der es tut und der Betrachter des Bildes.