Sind ein paar gute bei.

"Du hast doch aber viel mehr Fotos gemacht, als die 20 in dem Link, können wir die auch haben?"
Ich hasse diesen Satz.
Es ist als fragt man einen Schreiner, ob er zu dem Regal, dass er gebaut hat, auch den Verschnitt, die Sägespäne und die Skizzen mitliefert.
Wobei das mit Verschnitt und Sägespänen sogar noch halbwegs Sinn ergibt - damit kann man nämlich heizen.

Jedenfalls dann, wenn der Handwerker das alles im Nachgang zusammenkehrt, verpackt und auch noch versendet.

Macht niemand, oder?

Also warum sollten das Fotografen tun?

Natürlich machen wir mitunter hunderte einzelne Aufnahmen.
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass man von jedem Motiv mindestens 4 einzelne Auslösungen hat.
Arbeitet man im Team, summiert sich das sehr schnell.
Das bedeutet, dass es von jedem Moment locker 4-16 einzelne Fotos gibt.

In der Nachbereitung besteht dann ein wesentlicher Teil des Aufwands darin, zu entscheiden, welches dieser einzelnen 16 Fotos das jeweils beste ist.
Und weil man das nicht immer auf den allerersten Blick erkennt und es meist einen ganzen Haufen Momente gibt, steht man ganz schnell vor mehreren tausend Fotos, die es auszusortieren gilt.

Dieses "Best-Of" unterscheidet sich von den anderen Bildern darin, dass z.B. alle die Augen geöffnet haben, das Bild bis in feine Nuancen scharf ist und Einstellungen sowie Winkel stimmen.
Und nur diese Bilder werden weitergegeben.

Die restlichen Bilder sind nur Ballast.
Sie erfüllen nicht die Anforderungen und können daher auch nicht zur Veröffentlichung freigegeben werden.
Schließlich steht man mit seinem Namen dahinter.
Es ist, als würde man das frisch bestellte Regal unter einem Haufen Sägespäne vergraben und dann allen sagen, dass das von Schreiner Lehmann ist.
Das eigentlich gelungene Werk kommt nicht mehr zur Geltung, weil es unter einem Haufen von Sägespänen und Verschnitt begraben liegt.

Wenn man das Beispiel auf Fotos überträgt, hätte man dann jeweils 8 Fotos, die sich bis auf ein paar Details kaum voneinander unterscheiden.
Die überblättert man dann zu den nächsten 8 und das geht dann immer weiter, bis alle 1.600 Fotos angeschaut wurden - so nach anderthalb Stunden.

Die Reaktion ist dann meistens "Jaaaa...sind ein paar gute bei." Ein weiterer, von mir persönlich gehasster Satz. Der bedeutet nämlich, dass die Bilder nicht gut genug sind.

Die Wahrnehmung des Betrachters lässt irgendwann nach - niemand hat die Geduld 1.600 Fotos, von denen sich die allermeisten sehr ähnlich sind entspannt durchzuschauen und die vielleicht 50 Guten zu suchen.
Und das ist die eigentliche Ursache für den titelgebenden Satz.
Bei 40 sehr guten vorsortierten und bearbeiteten Bildern ist das anders.
Das sind dann 40 sehr gute Bilder von 40.
Und nicht 40 von 1600.
Hier gibt es einfach das fertige polierte und stabile Regal des Schreiners.

Das ist auch der Grund, warum ich keine Rohdaten (RAW-Files) rausgebe - die Entwicklung dieser Dateien gehört zum künstlerischen Prozess, es sind quasi die Bretter aus denen das Regal gebaut wird. Es hat keinen Sinn, die weiterzugeben, wenn ein Möbelstück bestellt war.

Der Kunde nimmt die Bretter, baut daraus "irgendwas" zusammen und erzählt allen, dass das wacklige, mit scharfen Kanten zusammengenagelte Stück vom Schreiner Lehmann kommt.
Wer das dann sieht, denkt sich "Nä, also zum Schreiner Lehmann gehe ich nicht, bei dem Mist, den ich bei meinem Kumpel Herbert gesehen habe, kann der nix."

Das ist einer der Gründe, warum der Gesetzgeber weitere Bearbeitungen und Veröffentlichungen durch jemand anderen als den Urheber untersagt.

Empfehlenswert ist es, pro Motiv schonmal das beste Bild herauszusuchen - diese zusammengedampfte Kollektion kann man dann klein aufgelöst zur Verfügung stellen und den Kunden z.B. aussuchen lassen, welche 10, 20 oder 40 er haben will.
Oder man klärt vertraglich, wie diese Auswahl getroffen wird und welche Bilder retuschiert werden.

Jedes weitere kostet dann Geld.

Meine Kollegen und ich stecken sehr viel Zeit in die Auswahl und die Retusche des Rohmaterials, einfach das Rohmaterial und die Sägespäne zu verlangen, ist eine Abwertung der geleisteten Arbeit und hilft niemandem.

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